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Venedig (Venezia), eine ehemalige Republik in Oberitalien, beherrschte zur Zeit ihrer größten Blüte einen Großteil von Norditalien und des östlichen Mittelmeerraumes. 1797 endete die Republik mit der Selbstauflösung ihrer Regierung und fiel zunächst an Frankreich, schließlich an Österreich. Im Zuge des Risorgimento wurde Venedig 1866 in Italien integriert. Zur Stadt Venedig gehört heute auch die auf dem Festland gelegene Industriestadt Mestre. Aufgrund der teils konträren Interessen der Altstadt und Mestres kämpfen einige Politiker seit Jahren vergeblich für eine Trennung. Die Altstadt Venedig, welche Gegenstand unserer Betrachtung ist, ist seit den Zeiten der Republik in sechs sogenannte Sestieri aufgeteilt. Dabei trennt der Canal Grande, die Hauptverkehrsstraße, die Sestieri von Castello im Osten, Cannaregio im Norden sowie San Marco von den Vierteln Dorsoduro, San Polo und Santa Croce. Die große Insel Giudecca im Süden gehört verwaltungsmäßig zu Dorsoduro, ist aber historisch-kulturell von Venedig zu unterscheiden. Zu Venedig gehören auch weitere Inseln der Lagune, so Murano.
Auf dem Markusplatz vor der Markuskirche, dem politischen Zentrum der Serenissima, wie Venedig auch genannt wurde, stehen drei große Masten (pili) mit bronzenen Fußgestellen von Alessandro Leopardi (1505), die zur Erinnerung an die eroberten Reiche Zypern, Candia und Morea, deren Banner sie einst trugen. Die Morea, heute als Peloponnes bekannt, war von 1684 (Eroberung durch Francesco Morosini) bis 1715 der Serenisima zugehörig. An der Ecke des Markusplatzes und der Piazzetta erhebt sich der nach einem Einsturz 1902 wiederaufgebaute 98,6m hohe Glockenturm (campanile di San Marco). Unten lehnt sich an denselben ein kleiner, zierlicher Vorbau an: die Loggetta, eine mit Bronzewerken und Reliefs reich ausgestattete Marmorhalle, die von Jacopo Sansovino 1540 erbaut wurde. Zwei Seiten des Markusplatzes und die eine der Piazzetta sind von den Prokuratien eingeschlossen. Die Alten Prokuratien (15. Jahrhundert) an der Nordseite des Platzes beherbergten ehemals Wohnungen der Prokuratoren von San Marco (jetzt: Büros) und besitzen im Erdgeschoß Arkaden mit Kaufläden und Kaffeehäusern, im zweiten und dritten Stock korinthische Bogen in streng parataktischer Anordnung. An die Alten Prokuratien schließt sich östlich der 1498 von Mauro Codussi (oder Coducci) in Frührenaissanceformen erbaute Uhrturm mit reich inkrustierter Fassade an. Die auf der entgegengesetzten Seite befindlichen Neuen Prokuratien, unten mit Pfeilerarkaden, bestehen aus der 1536 von Sansovino mit der Fassade gegen die Piazzetta hin erbauten alten Bibliothek von San Marco mit zwei Geschossen, dorischen und ionischen Säulen und Pilastern, reichgeschmücktem Fries und einer Fülle von Ornamenten sowie den 1584 von Scamozzi begonnenen eigentlichen Procuratie Nuove. Sie dienten unter Napoleon als königlicher Palast. Heute befinden sich darin das Museo Correr sowie diverse öffentliche Funktionen. An die Bibliothek schließt sich an der Seeseite das 1536 von Sansovino ausgeführte ehemalige Münzgebäude von Venedig an, ohne daß die Verbindung desselben mit der Bibliothek allerdings eine glückliche ist.
Venedig: Markuskirche, Südseite, 2005
Unter den Kirchen in Venedig ist die berühmteste die St. Markuskirche ("Markusdom"), welche von 976-1071 im byzantinischen Stil erbaut wurde und im 19. Jahrhundert restauriert wurde. Ihre heutige Form erhielt der Bau in weiten Teil während des Dogats von Domenico Contarini (1043-1071). Der Sage nach ruht hier der Leichnam des Evangelisten Markus, der 828 aus Alexandria hierher gebracht worden sein soll. Die Kirche hat nach Westen eine Hauptfassade mit fünf breiten Portalen und bunten Mosaiken auf Goldgrund, eine Vorhalle mit Mosaiken, über 500 Säulen, künstlerisch ausgeführte Bronzetüren, fünf große Halbkuppeln. Im Inneren ist die Kirche 76,5 m lang und 52 m breit. Der Fußboden ist alter Marmormosaik und die Kirche reich an Statuen und andern Skulpturen, Mosaiken und sonstigen Kostbarkeiten. Erwähnenswert ist besonders die Pala d'oro, ein goldener, mit Emailmalereien geschmückter Altarvorsatz aus dem 11. Jahrhundert. Über dem Hauptportal prangen die vier antiken Rosse aus vergoldeter Bronze, die 1204 aus dem vom Dogen Enrico Dandolo eroberten Konstantinopel nach Venedig gebracht wurden, unter Napoleon nach Paris gelangten, schließlich aber wieder zurückgegeben wurden. Siehe auch Bedeutende Kirchen in Venedig.
Unter den profanen Gebäuden ist nicht nur in Bezug auf Venedig der Dogenpalast (Palazzo Ducale) von überragender Bedeutung. Der jetzige Bau wurde im gotischen Stil nach dem Entwurf von Filippo Calendario (?) im 14. Jahrhundert begonnen und ersetzt den unter dem Dogen Sebastiano Ziani errichteten alten Palast. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Bau fortgesetzt. Nach mehreren Bränden wurde der Dogenpalast in den 1570er Jahren wieder in der ursprünglichen Form aufgebaut. Er enthält im Erdgeschoß eine Loggia mit kurzen Säulen und weiten Spitzbogen, darüber eine Loggia mit doppelter Spitzbogenzahl, dann den massigen, von wenigen gotischen Fenstern durchbrochenen, mit abwechselnd weißen und roten Marmorplatten verkleideten Oberbau. Im Hof befindet sich die marmorne Riesentreppe (scala dei giganti), so benannt nach den riesigen Bildsäulen des Mars und Neptun, die sie zieren. Sie bildet den Haupteingang in das Innere des Palastes; auf ihrer obersten Stufe wurden die Dogen gekrönt. Unter den elf ungeheuren Sälen des Palastes, die sämtlich mit Meisterstücken italienischer Maler (Paolo Veronese, Tizian, Tintoretto u. a.) prangen, ist der Saal des Großen Rats der prachtvollste. Andre Säle enthalten die Antiken und die Münzsammlung. Noch zeigt man hier aus der Zeit der Republik die Staatsgefängnisse und die sogenannte Seufzerbrücke (ponte dei sospiri), die in das durch den Kanal vom Dogenpalast getrennte Staatsgefängnis führt. Das Arsenal im sudöstlichen Teil der Stadt (1104 gegründet, 1304 umgebaut und später mehrfach erweitert) nimmt eine ganze Insel ein, umfaßt Schiffswerften, Bassins, Magazine für Vorräte aller Art, Seiler- und Zimmerwerkstätten, Ankerschmieden, Kanonengießereien, eine Waffensammlung, verschiedene Denkmäler, Trophäen etc. und ist mit Mauern und Festungswerken umgeben. In der Blütezeit Venedigs war es der Stolz der Republik und beschäftigte 16.000 Arbeiter. Es ist heute militärisches Sperrgebiet, eine neue Nutzung wird derzeit diskutiert. An dem triumphbogenartigen, 1460 erbauten Portal stehen vier antike marmorne Löwen, welche 1687 vom Piräeus bei Athen hierher kamen. Von den sechs Theatern ist das Operntheater La Fenice, 1836 umgebaut, eines der größten seiner Zeit in Italien. Nach einem Brand wurde es originalgetreu rekonstruiert.
Venedig: Der Canal Grande im Morgenlichte
Der Canal Grande ist der Hauptverkehrsweg Venedigs. Seit dem 13. Jh. sind die beiden Teile der Stadt an einer Engstelle beim Rialto mittels einer Brücke, der sog. Rialtobrücke, verbunden. Die heutige Rialtobrücke wurde 1588-1591 vom Baumeister Antonio da Ponte errichtet. Im 19. Jh. wurden zwei weitere Brücken über den Canal Grande geschaffen. Unter den zahlreichen Palästen der alten venezianischen Adelsfamilien, die meist am Canal Grande liegen, sind hervorzuheben: der Palazzo Vendramin-Calergi (1481); die reichgeschmückte Ca'd'Oro; der Palazzo Corner della Ca' Grande von Sansovino (1532); Palazzo Pisani; Palazzo Grimani, mit klassischer Fassade (1550); Palazzo Manin mit Renaissancefassade von Sansovino; Ca' Rezzonico, Palazzo Contarini-Fasan mit spätgotischen Balkonen; Palazzo Dario, Ca'Foscari, die Palazzi Contarini delle Figure, Corner-Spinelli, Franchetti, Pesaro, sowie das Rathaus, bestehend aus den Palazzi Farsetti und Loredan; der Fondaco dei Tedeschi, ein im 13. Jahrhundert errichtetes und 1505 umgebautes Kaufhaus der Deutschen; der Fondaco dei Turchi (12. Jahrhundert, im 17. Jahrhundert den türkischen Kaufleuten überlassen, 1880 erneuert, heute naturkundliches Museum) u.a. Das Gegenstück zu den Stadtpalästen sind die zahlreichen Villen, die ab dem späten Cinquecento im Hinterland Venedigs, besonders am Brenta-Kanal enstanden. Siehe auch Palazzi der Lagunenstadt und Villen.
Venedig: Ca'Rezzonico am Canal Grande
Unter den Museen Venedigs sind das bereits oben erwähnte Museo Correr sowie die Gallerie dell'Accademia die bedeutendsten. Ebenfalls von sehr guter Qualität sind die Sammlung Franchetti in der Ca'd'Oro, das Museum moderner Kunst in der Ca'Pesaro und die Stiftung Querini Stampalia.
Siehe auch: Bücher und Reiseführer zu Venedig.
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