Venedig

Das Sestiere von Cannaregio

Cannaregio ist das nördlichste der Sestieri Venedigs und, obschon sich einige der bedeutendsten Bauten der Stadt dort befinden, eines der ärmsten.

Cannaregio ist noch immer geprägt durch langgezogene, ruhige Kanäle, welche sich in Ost-West-Richtung durch das Sestiere ziehen. Die kleineren Paläste, die an diesen Kanälen stehen, sind teils verwahrlost auf uns gekommen. Der Canale di Cannaregio ist der größte Kanal des Viertels. Er beginnt am Canal Grande bei der Kirche San Geremia und führt in Richtung Nordosten zur offenen Lagune und wird von zwei Brücken, der dreibogigen Ponte Tre Arch und der Ponte delle Guglie, überspannt. Hier ist die Bebauung ungleich repräsentativer und stammt weitgehend aus dem 17. Jahrhundert: hervorzuheben ist der berühmte, heute vom italienischen Rundfunk genutzte Palazzo Labia, dessen Innendekoration noch weitgehend erhalten ist, oder die Paläste Manfrin und Savorgnan-Galvagna.

Durch die Errichtung des Bahnhofs auf dem Gebiet der abgerissenen palladianesken Kirche Santa Lucia sollten Cannaregio neue wirtschafliche Impulse gegeben werden. Der Bahnhof brachte eine weitere einschneidende Entwickelung für Cannaregio: eine Verbindung mit dem Markusplatz war notwendig geworden, so daß eine Wegeverbindung parallel zum Canal Grande geschaffen wurde. Hierfür wurde der Kanal von San Leonardo zugeschüttet und in der Verlängerung desselben die sogenannte Strada Nova geschaffen. Diese fast zehn Meter breite Fußgängerstraße heißt eigentlich Via Vittorio Emmanuele II. Zur Schaffung der Strada Nova wurden zahlreiche Häuser abgerissen. Schon vorher war der Kanal "Lista di Spagna", benannt nach der einstmaligen Residenz der spanischen Gesandten in Venedig, zugeschüttet worden.

Cannaregio besitzt weiters eine lange Partie des Ufers des Canal Grande. Hier stehen einige der bedeutendsten Paläste von Venedig: die sogenannte Ca' d'Oro, ein gotischer Palazzo, den sich ein Prokurator aus der Familie Contarini im 15. Jahrhundert errichten ließ und dessen Name von der einstigen Vergoldung der reichen Steinteile der Fassade sich ableitet, oder der hervorragende Frührenaissance-Palast der Loredan, der später an die Grimani-Calergi und schließlich die Herzogin bon Berry überging. Der Komponist Richard Wagner starb hier. Heute ist der Palast Sitz der städtischen Spielbank. Auch die Ca'da Mosto, in welcher der berühmte Seefahrer Alvise da Mosto geboren wurde, ist hier zu erwähnen. Leider ist der Zustand dieses Meisterwerks aus dem 13. Jh. deprimierend. Die Fassade der Kirche San Marcuola (Entwurf: Giorgio Massari) sollte sich eigentlich auch zum Canal Grande hinwenden, wurde aber nie vollendet.

Die Nordseite der Lagune war zu Zeiten der Republik Venedig eine blühende Gartenlandschaft, befanden sich doch auf den Rückseiten der zahlreichen Adelspaläste wie dem Palast Contarini del Zaffo oder dem Palazzo Rizzo riesige Gärten. Bedingt durch hohe Steuern auf Grünflächen im 19. Jahrhundert sind die meisten dieser Flächen verschwunden und durch Gewerbebauten, meist aus dem Bereich des Schiffbaus, ersetzt worden. Zwei Kirchen sind am Nordrand von Cannaregio hervorzuheben: Sant'Alvise und die Madonna dell'Orto, welche im Inneren hervorragende Bilder von Tintoretto besitzt. Der berühmte Maler ist in der Kirche begraben und wohnte unweit derselben in einem kleinen gotischen Palast.

In Cannaregio liegt ferner das Ghetto von Venedig. Per Dekret wurden im Jahre 1516 alle in Venedig lebenden Juden gezwungen, in einem abgeschlossenen Gebiet zwischen dem Canale di Cannaregio und dem Rio di San Girolamo zu leben. Der Name "Ghetto" leitet sich voh den ehemals dort ansässigen Kanonengießereien her. Die Regierung der Serenissima war stolz auf diese ihre Erfindung. Erst unter Napoleon wurde der Ghetto-Zwang aufgehoben.

Die ehemaligen Gartenanlagen, die in Ansichten bis zum 18. Jahrhundert zu erkennen sind, wurden durch Industrieanlagen ersetzt, beispielsweise die Streichholzfabrik Saffa. Diese brannte ab, und im neunten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts wurde an ihrer Stelle ein großer Komplex von sozialem Wohnungsbau errichtet.

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